Tadschikistan

Unterwegs im Pamirgebirge

Gerade sind wir aus Kirgistan ausgecheckt, befinden uns im Niemandsland und radeln der 30 km entfernten und über 4000 m hoch gelegenen tadschikischen Grenze entgegen. Während der Wind mir kühl um die Nase fegt, ich mich langsam auf der holprigen Straße weiter bewege, bin ich gedankenversunken. Unbelebt und scheinbar schlafend liegt es da, das Niemandsland. Die Abendsonne lässt die steilen Hänge kraftvoll, die Gletscher golden leuchten.

Während der Reise, den vielen Stunden im Sattel, habe ich mich in einige Phasen der Vergangenheit geträumt. Mit der entsprechenden Musik auf den Ohren, Tritt für Tritt immer tiefer rein-gebohrt in die Erinnerungen, die dazugehörigen Personen und Emotionen.
Ich glaube im Alltag zu Hause, ohne die vielen, manchmal sehr zähen und anstrengenden Stunden auf dem Rad hätte ich viele dieser Erinnerungen nicht mehr erreicht. Ich freu mich aber über dieses Review-Passieren. Hat es sich doch manchmal wie „Reinigen, Sortieren und Abheften“ angefühlt, mir vor Augen geführt was wichtig war und nach wie vor ist. Auch für den ein oder anderen Schmunzler auf dem Rad gesorgt oder mal alte Gefühle kribbeln lassen. Ivan und Chris scheint es ähnlich zu gehen, denn es kommt oft vor, dass wir uns während des Fahrens oder abends beim Kochen gegenseitig Geschichten von früher erzählen.

An der tadschikischen Grenze angekommen haben sich die Berge zu einer Mondlandschaft verwandelt. Eine brüchige Bude stellt das Grenzhäuschen dar. Wir treten ein. Drinnen brodelt der Ofen. Sockig, in gemütlicher Trainingshose und Wollpulli sitzen die Grenzbeamten am Tisch, tragen unsere Personalien in ein Buch(Strom und Computer gibt es schließlich auf dieser Höhe nicht) und lassen uns dann mit den versehentlich falschen Visums-Unterlagen recht unkompliziert einreisen. Dickes fettes Dankeschön an dieser Stelle an die kooperativen Beamten. Haben sie uns doch 2000 Höhenmeter und einige Kilometer Rückreise ins letzte kirgisische Dorf erspart, wo wir hätten das Visum nochmal ausdrucken müssen.

In den danach folgenden Tagen fahren wir durch eine Wüste aus Geröll, Sand und Schneefeldern. Als wir den See „Karakol“ mit dem gleichnamigen Ort erreichen, gönnen wir uns eine Nacht im Homestay. Der Ofen einer russischen Banja wird angeheizt. Draußen ist es schweinekalt, während das Wasser im Kessel kochend heiß und die Lufttemperatur der Banja einer Sauna gleicht. Glücksgefühle durchdringen meinen Körper, der zuletzt in Osh, 2,5 Wochen zuvor, eine Dusche gesehen hat.

Von Karakol aus entscheiden wir uns den Pamir-Highway zu verlassen, um mehr noch vom ursprünglichen Leben der Pamiris und der Wildheit des Gebirges zu erfahren. Wir biegen ab in das Bartang-Valley.
Bevor wir allerdings auf Land und Leute treffen folgen erst mal einige Tage Einsamkeit. Boah wie ich mich freue als wir in einer Nacht hat Heulen der Wölfe hören. Bissel unheimlich war`s natürlich auch. Aber schön-unheimlich. Einfach besonders.

Naturerleben hin oder her, in einer anderen Nacht verabreden wir uns in Ivans 2-Mann-Zelt zum Filmeabend. Mit den Schlafsäcken bis zur Nasenspitze hochgezogen, den Fahrradtaschen als Rückenlehne, liegen wir wie die Öl-Sardinen nebeneinander und schauen auf dem Laptop und knappen 4000m Höhe eine Teenie-Komödie. Ach ja, ich liebe die unkonventionelle Ader meiner Reisegefährten. Wir habens echt gut miteinander!

Kaum sind wir mit unseren staubig-bepackten Rädern ins erste Dorf „Ghudara“ eingerollt, bekommen wir gleich mehrere Einladungen zum Chai. Die des Dorfältesten und Geologen nehmen wir an und folgen ihm Dadderschritt für Dadderschritt in sein Zuhause.

Insgesamt verbringen wir 11 Tage im Bartangtal, rollen von Flussdurchquerung zu Flussdurchquerung, von Dörflein zu Dörflein und kommen kaum voran, weil die Menschen dort so unfassbar herzlich sind und uns immer wieder zu Übernachtung, Chai oder ner Runde Volleyball zocken einladen.

Der Pamir ist ein sehr trockenes Gebirge. Niederschlag gibt es kaum und darum spielen die Gletscher eine umso wichtigere Rolle. Die Bewohner leiten sich von den Bächen kilometerlange Gräben weg, die das Wasser in die Orte transportieren. Dort wiederum wird, abermals in schmalen Gräben, das Wasser quer durch die Gärten geschickt. Das macht die Dörfer zu grünen Oasen mit reichen Ernten und uns zu den glücklichen Radfahrern, die mit saftigen Äpfeln, Birnen, Pfirsichen frisch vom Baum und knackigem Gemüse versorgt werden. Damit hatten wir im Pamir wirklich nicht gerechnet.

Viele der im Bartang lebenden Pamiris sprechen englisch. Wir treffen auf studierte Geologen und Historiker, jedes Örtchen hat eine kleine Schule und überhaupt scheint alles, so unabhängig vom Rest der Welt, sehr gut organisiert. Zur Verblüffung der Menschen gibt es hier sogar einen Apfelbaum der zweimal im Jahr Früchte trägt.

Auf die Frage ob es den Bewohnern nichts ausmache uns so viel ihrer Lebensmittel zu geben, wird uns immer wieder zu verstehen gegeben, dass es im Tal mehr als genug für Alle gibt.

Die Menschen sind voll warmer Ausstrahlung und besonders die Frauen irgendwie bildschön. Im Gegensatz zu den anderen zentralasiatischen Länder sind die Tadschiken/Pamiris weniger asiatisch geprägt sondern gehören sprachlich und kulturell und auch äußerlich eher der persisch-iranischen Völkerfamilie an.

Nach 350 km Bartang-Paradies stoßen wir dann auf den Panj, einen Fluss der die Grenze zu Afghanistan markiert. Von den Grenzsoldaten die Tag ein, Tag aus entlang des Flusses marschieren, bekomme ich, kaum dass ich mich versehe, für ein Foto eine Kalaschnikow in die Hand gedrückt. Ähhh, schnell wieder weg damit. Die Soldaten lachen und ich lächle höflicherweise. Wieder auf dem Pamir-Highway fahren wir einige Tage entlang dieser Grenze. Staunend beobachten wir das Leben auf der anderen Seite und winken uns gegenseitig zu. Verrückt, denke ich immer wieder auch beklommen, das Leben der Afghanen hier in den Bergen wirkt so friedlich.

Jetzt sind wir in Dushanbe, der Hauptstadt Tadschikistans.Setzen die auf dem Rad geschmiedete Pläne um, backen Käsekuchen und Lasagne, gönnen uns zur Feier des bestandenen Pamirs ne Bottle Whisky, bummeln durch die Stadt und schlafen bis in die Puppen.

Was jetzt kommt ist eine letzte kurze Etappe nach Usbekistan. Von dort aus fliegen wir nach Barcelona und radeln heimwärts. Ich bin wehmütig, freue mich aber natürlich auch auf die Heimat.

DANKE MONGOLEI bis USBEKISTAN für all diese unvergesslichen Erlebnisse und Abenteuer, die grenzenlose Herzlichkeit und die Erfahrung dass die Welt so viel friedlicher ist als es durch Medienberichte erscheint. Danke für die Erfüllung eines Traumes und für das einzigartige Reiseteam.

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