Südamerika Teil 2

vom affengeilen "Nie Wieder" Moment

Weiter geht es, nun wieder auf dem Altiplano auf 3500m, zum „Salar de Coipasa“ und „Salar de Uyuni“. Früher waren sie Teil eines Meeres, heute riesige ausgetrocknete Salzseen. Der Unterschied zum Dschungel könnte kaum größer sein. Kein Baum, kein Strauch, kein Tier – nur absolute Stille und unendliche Weite für mehrere hundert Kilometer. Wir orientieren uns per GPS. Insbesondere die Nächte in dieser unwirklichen Welt der Stille sind beeindruckend. Das Verlassen des „Coipasa“ wird richtig schwer. Die Ausläufer bestehen nicht mehr aus einer harten Salzfäche. 10km wuchten wir die Räder durch Matsch bis wir wieder „Land“ unter den Rädern haben.

Das sonst so nützliche GPS Gerät „verleitet“ uns in Oruro. Wir stehen auf einmal mitten im Slum. Aufgeknöpfte Leichen hängen hier an den Häuserwänden. Die Polizei will oder kann hier nicht eingreifen, die Puppen sind eine Warnung was passiert wenn man hier aus der Rolle tanzt. In Ouruo selbst erleben wir eine positive Überraschung: Ein vorweggenommenes Karnevals Fest! Mehrer Hundert Gruppen ziehen den ganzen Tag über tanzend an uns vorbei.

„Nie wieder“ ist die Antwort der meisten Radreisenden die wir nach der „Lagunenroute“ im Süden Boliviens befragen. 

350km Wellblechpiste die oft so versandet ist, dass man nur noch schiebend vorwärts kommt. Temperaturstürze und jeden Tag Wind und Sandstürme auf einer Höhe zwischen 4000 und 5000 Metern. Die Strecke hat den Ruf eine der härtesten machbaren Pisten per Reiserad zu sein. Versorgungsmöglichkeiten unterwegs gibt es keine, auch Wasser kann nur alle 2-3 Tage nachgetankt werden. Wir starten extrem schwer mit über 20kg Nahrung und 20 Liter Wasser auf den Bikes. 

Die Strecke wird für mich vor allen Dingen auch eine mentale Herausforderung. Zu Beginn eines Tages rege ich mich noch über die Piste auf, später dann über mich selbst wenn ich mich zum 100. mal festgefahren habe. „Warum sitze ich eigentlich nicht gemütlich zuhause und gucke einen langweiligen Film?“ „Weil es einfach affengeil ist sein Rad bei -6 Grad durch den Sand zu schieben und kaum Wasser zu haben“ hat mir die Tage ein befreundeter Welt-Radreisender geschrieben. Recht hat er! 

 

Es ist eines dieser intensiven Outdoorerlebnisse die so faszinierend sind, wenn auch oft nur erst im Nachhinein. Und ein Bad bei Sonnenaufgang und -10 Grad in einem 36 Grad heißem Warmwasserpool vor einer Lagune mit rosafarbenen Flamigos ist natürlich auch „affengeil“, umso mehr nach den Strapazen. Nach 600km Piste erreichen wir in Chile wieder Asphalt! Die Abfahrt in die Atacama Wüste wäre eine Highspeed Strecke. Wir haben jedoch Gegenwind, sodass ich die 30km nur herunterrolle, ohne ein einziges Mal treten oder bremsen zu müssen – Rekord!

Argentinien – im Vergleich zu Peru und Bolivien eine andere Welt. Eine Luxusoase! Vorbei sind die Zeiten des Verzichts – auch beim Essen. „Asado“ Grillfeste mit Wein oder Bier stehen fast täglich auf dem Plan. 

In besonderer Erinnerung bleibt uns das „Gaucho“ Asado mit Sebastian, zu das er uns in seiner Finca einladen hatte. 3 Personen, also seien 3 Kilo Fleisch notwendig, erklärt er uns. Beilagen gibt es keine – kein Brot, kein Salat, keine Gewürze – „solamente carne“ wie er betont. Sebastian will leben wie ein Gaucho, ohne jeglichen Luxus. Spätestens beim Anblick der Finca wird uns klar, dass er das verdammt ernst meint. Kein Strom, kein fließend Wasser, kein Bett, keine Möbel, einfach nichts! Wir grillen und essen wie patagonische Gauchos. Auf dem Boden hockend, wird das Fleisch nur mit einem Tuch gehalten und mit dem Messer abgeschnitten. Kein Teller, kein Besteck, kein Stuhl, kein Tisch – es schmeckt delikat! Vor unserem Zelt perfektionieren wir in der kommenden Zeit das „Gaucho“ Asado dann noch etwas. Einen Rost haben wir nicht dabei und so wird das tägliche Lomo direkt auf der Glut gegrillt – Asche ist praktischerweise geschmacksneutral!

Aber nicht nur das Fleisch wird gegrillt – am 1. Advent zeigt unser Thermometer 46 Grad. Hallo Weihnachtsstimmung? Jede Erfrischung nehmen wir dankend an! „Das Bier ist nur dann ein gutes Bier wenn es eiskalt ist“ hören wir immer wieder von den Argentiniern die es sich oft schon am Mittag gönnen. Bei den Temperaturen tun wir das aber auch, und so endet mancher Tag ungewollt früh. Das Argentinien, trotz der sofort sichtbaren besseren Situation im Vergleich zu den nördlichen Nachbarn, auch schwere wirtschaftliche Probleme hat zeigt die Geldwechselpraxis. In Bolivien haben wir uns 100 Dollar Noten besorgt, für die bekommen wir auf dem Straßenschwarzmarkt Argentiniens satte 40% mehr argentinische Pesos als über den offiziellen Wechselkurs im regulären Bankensystem. Bei dieser Flucht aus der eigenen Währung sieht sogar unser zwielichtige Straßengeldwechsler „schwarz“ für sein Land und ihre Währung.

Vor Paraguay werden wir gewarnt. „Der Wilde Westen Südamerikas – da trauen sich noch nicht mal die LKW Fahrer durch“ bekommen wir zu hören. Wir erleben das völlige Gegenteil! Entlang der endlosen Sojafeldern erleben wie viel Gastfreundschaft. 

Einen regelrechten Kulturschock bekommen wir in Hohenau, einer der vielen deutschstämmigen Siedlungen in Paraguay. Dort entdecken wir einen Campingplatz der uns quasi in einen Heimaturlaub schickt. Die Betreiberfamilie spricht perfekt Deutsch, in Deutschland seien sie aber noch nie gewesen. „Ja aber warum sieht denn hier alles so aus wie in Deutschland“ fragen wir verwirrt. Achselzucken beim Vater und mit einem Grinsen berichtet er uns, dass viele Südamerika Reisende diesen Platz als den saubersten und am besten organisiertesten in ganz Südamerika bezeichnen.

An den Iguazu Wasserfällen, die in der Realität nochmal beeindruckender sind als auf den Fotos, endet die gemeinsame Reise mit Matthias. Er fliegt zu seiner Freundin nach Quito und ich nach Rio de Janeiro. Dort treffe ich Toby, mit ihm geht es weiter durch Brasilien!

Rio de Janeiro – Die Prachtstrände von Copacabana und Ipanema stehen im Kontrast du den Armenvierteln, den Favelas, die wir besuchen. Schnell wird klar, Brasilien ist ein Land der Gegensätze! Die Tage in Rio verbringen wir mit Simon, einem Backpacker aus Kanada der perfekt portugisisch spricht und zudem seine Gitarre immer dabei hat. Mit der Gitarre spielend ziehen wir mit ihm durch die Stadt. Der Kontakt zu den musikbegeisterten Brasilianern fällt so leicht. 

Vorfreude auf die Fußball Weltmeisterschaft? Fehlanzeige! „Zu teuer, zu viel Geld das vernichtet wird, welches im sozialen Bereich dringend benötigt wird“ Nur selten hören wir von den Leuten auf der Straße mal eine andere Meinung als diese! Am heiligen Abend verlassen wir Rio mit dem Flugzeug mit Ziel Porto Seguro. Dort erleben wir eine böse Weihnachtsüberraschung. Die Bikes sind nicht da, die Fluggesellschaft hat sie beim Umsteigen in Bela Horizonte vergessen. Wir können kein Portugisisch, die Mitarbeiter am Flughafen kein Englisch. Es dauert bis wir jemanden finden dem wir zumindest ansatzweise klar machen können, dass wir Fahrräder vermissen und das wir ohne diese ziemlich aufgeschmissen sind. Für uns ungewohnt geht es per Taxi in ein nahegelegenes Hotel. Und dort bekommen wir spät am Abend noch ein Weihnachtsgeschenk: die Fahrräder per Express Post! Das Radeln ist mühselig. Das Klima im afrikanisch geprägten Bundesstaat Bahia ist für sportliche Aktivität gewöhnungsbedürftig. Ein Faktor im Kampf um die WM-Krone? Bestimmt!

Über die Sylvestertage mieten wir uns bei Michael ein. Michael ist jahrelang durch die Welt gereist und hat hier am tropischen Strand sein persönliches Paradies gefunden und ist geblieben. Zimmer haben wir keine, wir schlafen in Hängematten zwischen Palmen direkt am Strand. Ein wahres Paradies! Aber auch dieses Paradies hat hier seine Schattenseite. Während wir ein rauschendes Sylvesterfest am Strand erleben, werden 1 km entfernt von uns am selber Strand in dieser Nacht 2 Menschen ermordet. „Macht alles, aber geht nicht abends betrunken am Strand ins Dorf“ war der eindrückliche Rat von Michael. Spätestens jetzt wissen wir warum! 

Ein besonderer Ort lag noch auf Weg gen Norden: Santo Andre – in deutschen Zeitungen bekannt geworden weil hier das Camp der deutschen Nationalmannschaft gebaut wird. Im Dorf kommen wir mit einem ausgewanderten Schweizer ins Gespräch. Die Verwunderung über den nicht unumstrittenen Neubau hält sich bei ihm in Grenzen, haben doch hier im Dorf ehemalige Topmanager bekannter deutscher Großkonzerne ihren Alterswohnsitz. Nur per Fähre geht es weiter um zum Hotel der Nationalmannschaft zu kommen. Die Baustelle zum „Campo Bahia“ ist natürlich hermetisch abgeschottet und bewacht. Wir haben Glück! Eine nette Mitarbeiterin erklärt sich nach Bitten bereit uns eine kleine Führung zu geben. Die Kameras müssen wir abgeben, ein Sicherheitsbeamter folgt uns auf Tritt und Schritt. Wir können alle beruhigen, die Arbeitsbedingungen scheinen gut zu sein und die Anlage wird es auch! Als wir gerade wieder draußen vorm Tor stehen kommt eine hochrangige Delegation der deutschen Baufirma: „Seid ihr beide von der Presse?“ ist die erste Frage. Ich blicke auf mein Reiserad und schaue den Manager fragend an. „Ihr glaubt nicht was die alles anstellen um hier rein zu kommen“ ist seine Begründung für die etwas weit hergeholte Vermutung. Uns wird klar: Der hätte uns hier garantiert nicht reingelassen!

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