Lappland Winter 1

Nordlichter im Sturm

Aurora Borealis – Nordlichter! Dieses Schauspiel einmal selbstorganisiert, nur mit Zelt und Rad, in der Natur zu erleben, war neben der Lust am Abenteuer und der Erfahrung eigener Grenzen der mich antreibende Grund, diese Reise zu unternehmen.

So zog ich im März 2012 los, für mich untypischerweise ganz alleine da ich niemanden für diese Reise gewinnen konnte. Und tatsächlich, gleich am 2. Tag erlebte ich das Nordlicht in einer, auch für diese Region, extrem starken Intensität! Ich war, nachdem ich die erste Nacht in einer Studenten-WG in Kiruna übernachten konnte, auf dem Weg zum Abisko Nationalpark. Es fing gegen 19 Uhr mit einem grünlichen Schimmern an. Im Verlaufe der Nacht explodierte der Himmel förmlich und flackerte teils komplett in Grün, Rot und Violett – in einer Intensität die ich mir nicht hätte vorstellen können. Ein, in dieser Stärke, atemberaubendes Schauspiel!

Auch der Faktor Abenteuer kam von Beginn an nicht zu kurz. Die vereisten Straßen waren dank der Spike-Reifen kein großes Problem. Als schwieriger gestaltete sich jedoch zu Beginn die Zeltplatzsuche, zumal ich ohne Wintercamping-Erfahrung angereist war. Natürlich wollte ich nicht direkt neben der Straße campieren, sondern suchte besonders schöne Plätze zur Nordlichtbeobachtung. Abseits gab es aber nur hüfthohen Pulverschnee auf dem das, hier unverzichtbare, Abspannen des Zeltes nur schwer möglich ist. Wie wichtig das sorgfältige Abspannen ist merkte ich, als ich eines Morgens unsanft von meinem Zelt geweckt wurde. Die Heringe waren von einer Böe herausgerissen worden und das Zelt wollte mich quasi umdrehen. Hätte ich nicht drin gelegen, es wäre wohl davon geflogen. So habe ich, wenn immer es ging, auf Flächen gezeltet die mit Schnee-Scootern befahren wurden und soweit komprimiert waren, dass man abspannen konnte. Ansonsten wurden alle möglichen Gegenstände, auch das Rad und der Anhänger als Schneeanker missbraucht. Es war oft eine ziemliche Maloche das Gespann durch den Schnee an die Plätze zu bekommen an denen ich campen wollte. Der Rückweg war dann meist noch beschwerlicher wenn der nachts aufkommende Wind meine Spur verweht hatte. Dafür bekam ich aber auch genau das was ich wollte: Zeltplätze in vollkommener Einsamkeit und schönster Landschaft.

In der ersten Woche hatte ich unglaubliches Glück mit dem Wetter und der Nordlichtaktivität. Jede Nacht war es sternenklar und das Nordlicht zeigte sich teils in starker Intensität. Ich campierte 2-mal auf dem zugefrorenen Tometräsk-See. Im Winter strahlt dieser See mit der schier unendlich erscheinenden weißen Landschaft Antarktis- Feeling aus. Und es war auch so kalt – mit bis zu -25 Grad. Gewöhnungsbedürftig ist, dass auch in einer so dicken Eisschicht Spannungen aufgrund der Temperaturschwankungen entstehen. Diese hören sich nachts so an als würde das Eis unter einem bersten. Auch wenn der Verstand einem sagt, dass die Eisschicht viel zu dick ist um einbrechen zu können, ich hatte ein mulmiges Gefühl. Trotzdem, es war die perfekte Kulisse für das Nordlichtspektakel!

Noch besser wurde es weiter gen Westen an der Passstraße zu Norwegen. Dort ließ ich das Rad an der Straße stehen und schleppte meine Ausrüstung soweit in die einsame Landschaft bis ich eine Anhöhe gefunden hatte, von der ich einen 360 Grad Blick über die komplette Bergkulisse hatte. Das Nordlicht kam intensiv und es wurde die kälteste, aber auch die schönste Nacht dieser Reise!

Mit dem freundlichen Wetter war es dann leider vorbei. Je näher ich der Küste kam, desto stärker wurde der Wind. Bei -15 Grad und Sturm alleine ein Zelt im Schnee aufzubauen ist eine reine Qual. Das Gleiche gilt fürs Radfahren. Der Windchill war gnadenlos und zerrte an den Kräften. Richtig ungemütlich wurden jedoch die Brückenüberquerungen bei Sturm! Die Tjeldsund Brücke zeigte mir (fast) Grenzen auf. Die Windmessung zeigte Werte von 30 m/s. Umgerechnet ca. 110 km/h bzw. Windstärke 11! Da noch alle Autos auffuhren und der Wind nicht nachlassen wollte entschloss ich mich auf die Brücke zu schieben. Schon die ersten Meter waren brutal, ich kam kaum voran. Je höher ich kam, desto stärker wurde der Wind. Die Ortlieb Kartentasche fiel dem Wind zum Opfer. Sie flog hoch hinauf aufs Meer. Weiter oben war dann an Vorankommen nicht mehr zu denken.

Ich lehnte mich gegen den Wind und musste kämpfen die Position überhaupt zu halten. Der Wind zerrte so sehr am Anhänger, dass sich eine Befestigung der Anhängertasche löste. Ich hatte noch nie so viel Angst um meine Ausrüstung! Auch bemerkte ich, dass die Autos unten nicht mehr auf die Brücke auffuhren. Ich war also ganz allein, und das an der höchsten Stelle der Brücke – großartig! Ich konnte nur hoffen, dass der Wind wieder etwas nachlassen würde. Zum Glück tat er dies und als die Autos wieder auf die Brücke auffuhren wusste ich, dass ich es geschafft hatte. Ich habe keine Ahnung wie stark der Wind in dem Moment war als ich oben auf der Brücke war, aber die magische Windstärke von 12 sollte er wohl erreicht haben!

In Harstad nahm ich, trotz extrem bescheidener Wetteraussichten, die Hurtigruten Fähre auf die Lofoten. Die wollte ich halt sehen! Die Busfahrerin die mich zur Südspitze der Lofoten kutschierte, brachte es auf den Punkt: „You have bad luck, the wind has just arrived“. Dabei war es nicht ein konstanter Wind, es waren mehr orkanartige Böen die aber das Radfahren extrem erschwerten.   

Oftmals war bei Gegenwind, aber auch bei Seitenwind nur noch Schieben möglich, da die Spikes überfordert waren. Einmal übernachtete ich bei Sturm in einer alten Fischerhütte vor dem offenen Meer. Es war ein gigantischer Wind, man dachte die Hütte würde zusammenfallen und des Nachts schaffte es eine heftige Böe sogar die verschlossene Tür aufzureißen und das Scharnier rauszureißen. Aber es gab auch windstillere Momente und die Landschaft der Lofoten im Winter ist es wahrlich wert, die Mühen auf sich zu nehmen.

Und auf den Lofoten sollte ich auch die wohl beeindruckendste Nacht dieser Reise erleben.

Es war ein relativ windstiller, verschneiter Tag und ich kam zu einem Strand vor einer grandiosen Bergkulisse. Der Schönheit der Landschaft wegen ließ ich mich dazu verleiten, keine Vorsicht walten zu lassen. Als wollte mir die Natur diesen Fehler büßen kam gen Abend ein gewaltiger Sturm auf. Und ich stand mit meinem Zelt zwischen dem offenen Meer und einer weiten Strandebene – Katastrophe! Vernünftig wäre es wohl gewesen, dass Zelt wieder flach zu legen, aber ich ließ es stehen. So musste es zeigen, dass es das viele Geld wert ist. Und….das tat es! Die Böen wurden immer heftiger, so dass selbst ich Probleme hatte auf den Beinen zu bleiben. Dieses Zelt lag, ungelogen, mit der einen Seite bis zur Firststange komplett am Boden. Es sah bizarr aus, aber es hielt! Gepaart wurde diese Naturgewalt mit einer absolut einzigartigen Stimmung: Schnell ziehende Wolken, ein tobendes Meer, Wolken in roter und pechschwarzer Färbung und in den Wolkenlücken das Nordlicht in all seiner Farbvielfalt.

Ich war fasziniert von dieser extremen, einmaligen Atmosphäre und ich hatte tierische Angst um mein Zelt wenn die Sturmböen kamen. Irgendwann nach Mitternacht wurden die Böen deutlich schwächer, die Nordlichtershow war vorbei und ich schlief im, vom Wind hin und her geschüttelten, Zelt trotz eines Adrenalinspiegels Unterkante Kinn vor Erschöpfung sofort ein.

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