Georgien

wunderbar wild und schier magisch

Georgien ist paradiesisch. Schwarzmeerküste, Steppenwüste, Feuchtgebiete und Europas höchste Berge sorgen für Vielfalt auf kleinem Raum. Auch kulinarisch-vegetarisch geht’s vielfältig zu. Da gibt es KHACHAPURI- ein Teiggericht das wie Pizza geformt und gefüllt ist mit dem würzigen Käse aus den Bergen, BADRIDSCHANI- das sind Auberginenröllchen mit Walnusspaste, KHINKALI – mit Käse, Kartoffeln oder Pilzen gefüllte saftige Teigtaschen, MAZONI- ein leckerer Joghurt den man zu allen herzhaften Speisen isst und TSCHURTSCHCHELA – das sind aufgefädelte Walnüsse die mit Traubensaftkuvertüre überzogen werden. Der ideale Snickersersatz, zuckerfreie Energiebombe und auf jedem Markt erhältlich. Unser ungeschlagener Favorit ist allerdings das Brot. PURI. Von weitem schon kann man riechen wenn in Garagen und anderen unscheinbaren Gebäuden der Lehmofen angefeuert und aus einem kleinen Fensterchen heraus das warme Puribrot verkauft wird. Das Fladenbrot, in Form eines Schiffes mit zwei spitzen Enden schmeckt einfach klasse und es ist unmöglich nicht auf der Stelle hinein zubeißen wenn es noch herrlich warm und frisch ist.

Ich habe den Eindruck Georgier sind Genießer. Mit einfachen Mitteln schaffen sie sich ein hübsches Zuhause das oft sehr geschmackvoll, fast schon künstlerisch, mit tollen Farbkombinationen und frischen Blumen auf dem Tisch, gestaltet ist.

Einmal lädt uns eine Gruppe georgischer Autoren ein an ihrem Tisch Platz zu nehmen. Essen sollen wir von den leckeren Speisen und natürlich Trinken. Wir stoßen an auf Beziehungen zwischen Menschen und Ländern. Auf Eltern, deren Werte, Charakter und Erfahrungen wir als Kinder weiterleben und geben. Auf die Frauen im Allgemeinen und auch sonst auf allerhand Dinge die über den Abend hinweg in langen Sätzen und Reimen vom Tamader (traditionell derjenige der von der Festgesellschaft für die AbendLeitung verantwortlich gemacht wird) als Trinksprüche formuliert werden.

Nicht nur das Leben sondern auch der Tod wird auf eine besondere Weise zelebriert wie ich finde. Am Grab eines jeden verstorbenen Georgiers befindet sich ein Stein mit eingraviertem Portrait. Ganz die orthodoxe Art. Die Person lächelt. Das Geburts- und Todesdatum, der Name, besondere Charaktereigenschaften und vielleicht die Berufung stehen darunter. Neben dran ein wilder Strauch, schöne Gesteine, eine halbvolle Flasche Wein und ein Teller mit Trauben, einer Birne oder Nüssen darauf. Oft befinden sich auch Picknicktische daneben, denn es ist die Tradition mit den Toten zu trinken und zu Speisen. Den Lieben im Jenseits soll es ja schließlich gut gehen….
Das für mich eindrücklichste Erleben in Georgien allerdings waren die Berge. So wunderbar wild und schier magisch bildet der Kaukasus die Grenze zwischen Europa und Asien, bringt er mich an physische Grenzen und beschenkt mich mit tiefen, naturverbundenen Glücksmomenten. Er lässt mich staunen und katapultiert mich hier und da mal an den Rand der Verzweiflung:

Das Wetter ist sauig und ein paar Arbeiter hatten wohl Mitleid als wir unter strömenden Regen ihre Baustelle passierten. Sofort macht sich der Baustellenkoch daran ein warmes Essen und Tee für uns zu kochen. Als sei das noch nicht genug, so dürfen wir auch noch die Nacht in den gemütlichen Betten eines ungenutzten Wohnconainers verbringen bevor wir uns am nächsten Tag bei immer noch bescheidenem Wetter aber immerhin trocken und gestärkt wieder aufs Rad setzen.

Die enge Straße hoch zum AbanoPass ist Wolkenverhangen. Nur manchmal lugt ein Stück Wald hervor. Alle paar Kilometer ragt ein Hahn aus dem Felsen der uns mit frischem Quellwasser versorgt. Es scheint verbreitet zu sein Verstorbenen eine Wasserstelle zu widmen. Freundlich schauen ihre Portraits zu wie wir uns durstig und dankbar an ihrer Quelle bedienen. Dann plötzlich zieht der Vorhang auf. Grün wo man nur hinsieht, in allen erdenklichen Facetten und Strukturen. Die strohig- nassen Gräser der Bergrücken leuchten dazu golden, geben ihnen Kontur, lassen sie riesig und voluminös erscheinen wie Könige in prunkvoll, gold-grünen Pelzmänteln. Die Herrscher des Kaukasus. Jahrtausende alt, weise und mächtig. Ein Vogel mit breitem Spann segelt mühelos dahin, krächzt und es hallt. Dann zieht es wieder zu. Ein feiner Sprühregen legt sich auf meine Jacke. Kalt und schwer, vollgesogen mit Wasser wiegt sie auf meiner Schulter doch solange ich in Bewegung bin, staunen kann über die Wolkenvorhänge die sich auf und wieder zu tun ist alles gut.

Es sind noch 200 Höhenmeter bis zum Pass als Fahrerei der Schieberei immer häufiger weicht. Es ist sausteil und die Kräfte schwinden. Sachte segeln um mich herum Schneeflocken zu Boden. Nur ein paar wenige. Später im Zelt, nach einer wohltuenden Portion Reis mit Scheiß liege ich im Schlafsack. Spüre wie die Zehen langsam wieder auftauen, höre leise wie die Flocken auf’s Zeltdach stippeln und empfinde Glück, riesiges, ungebremstes, eben jenes Glück welches jenseits der Komfortzone auf mich wartet, als ich langsam und zufrieden den Träumen verfalle….

Wenige Tage später befinden wir uns in einer Sackgasse nahe der russischen Grenze die selbst hier in den Bergen strengstens bewacht und eingehalten wird. Immer wieder entdecken wir Wachsoldaten die in kleinen Unterständen mit Fernglas die Gegend im Blick behalten. Jedenfalls müssen wir den AtsuntaPass auf 3500 Meter Höhe erreichen und über Diesen in das Tal zu gelangen welches uns nach Tiflis, der Hauptstadt Georgiens, führen soll. Wir entscheiden uns für die einzige Möglichkeit, die einzige Verbindung die es zwischen den Tälern gibt. Einen Hikingtrail. Vierzig Kilometer lang mit Steigungen zwischen 20 und 45 Prozent, schieben und tragen wir unsere Räder über vier lange Tage hinweg durch Landschaften und Panoramen wie sie majestätischer nicht sein könnten. Wenn ich Nachts zögerlich die warmen Daunen verlasse weil die Blase drückt, dann ist der Himmel klar, die riesigen Berggipfel und Gletscher glitzern im Mondlicht und die Sterne sind so zahlreich dass man einem beim Schauen ganz schwindelig wird. Und wenn ich am nächsten Morgen barfuß aus dem Zelt schlüpfe, dann ist das Gras nass, die Luft frisch, die Haut dankbar um die ersten wärmenden Sonnenstrahlen und die Seele heiter wenn man zu all diesen Glück vom liebsten und besten Reisebegleiter noch einen leckeren Café gereicht bekommt. All diese Herrlichkeiten über die ich nicht müde werde mich zu freuen und zu erzählen, treiben mich an und machen das Unmögliche möglich.

Oft überrascht und erreicht mich die Erschöpfung erst Tage später, wenn banale Situationen und Komplikationen das Fass zum Überlaufen bringen, vielleicht sogar mal eine Träne rollt und einfach Alles nach Pause und Erholung schreit.

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