Australien Outback

Wasser als Fluch und Segen zugleich

Das Abenteuer “Outback solo “ beginnt vielversprechend. Nathaniel, mein Gastgeber am berühmten Ayers Rock, ist Astronom und veranstaltet mit den Touristen Seminare zur Sternenbeobachtung. Ich kann kostenlos mit und lasse mir das natürlich nicht entgehen. Den Saturn mit seinen Ringen mit den eigenen Augen durch eines dieser Riesenteleskope zu sehen ist eine tolle Erfahrung.

Ich kann durchaus verstehen warum der Uluru, Ayers Rock, ein heiliger Berg ist. Überall nichts und dann auf einmal dieser Berg. Wenn man ihn umrundet entdeckt man viele wunderschöne Ecken. Ich campiere einige Nächte mit Blick auf den Ayers Rock und mache mich dann erneut auf in den Park. Es gibt noch einiges mehr zu entdecken.

Das wilde campieren im Park ist strengstens verboten. Ich habe aber mit dem Rad oftmal keine andere Möglichkeit. Eine andere Chance alles zusehen habe ich nicht. Eines Abends passiert das worauf ich die Tagezuvor schon immer “gewartet” habe.

Ich bin auf dem Weg zu den Kata Tjuṯa, auch Olgas genannt. Es ist schon sehr spät und ich bin meilenweit von irgendeinem offiziellen Campingplatz entfernt. An den Olgas gibt es nur noch einen Ausgang der auf Aborigines Land führt. Ein Ranger stoppt mich und fragt wo ich denn bitteschön heute Nacht schlafen möchte. Ich sage ihm, dass ich den Parkausgang im Norden erreichen möchte und dann entang der Straße mein Zelt aufbauen werde. 

Er wendet ein das ich selbst die Straße ohne offizielle Genehmigung der Aborigines noch nicht einmal betreten darf. „Dann ist das ja nicht mehr dein Problem“ erwidere ich etwas dreist. Er nickt und die Sache ist vom Tisch. Spät ab Abend erreiche die Straße und schlage mein Zelt versteckt, mit traumhaften Blick auf die Olgas, auf.  Ein Hammer Platz.

Nach einigen Tagen heißt es Abschied nehmen. Es geht auf dem Lasseter Highway gen Osten. Unendliche Weiten erstrecken sich vor mir.

Nächster Supermarkt: 500km! Das Fahrrad muss also ordentlich beladen werden! Es wird zu einem kleinen „Roadtrain“. Die Großen Verwandten üerholen mich tagsein tagsaus. Diese riesigen LKW sind schon gewaltig und man muss ihnen Respekt und Vorfahrt zollen. So ein Monster mit mehreren Anhängern und 120 Tonnen Gesamtgewichtanzuhalten geht nicht von Jetzt auf Gleich sondern benötigt einen Kilometer Bremsweg.

Die Leute zollen mir hier einen eigenartigen Respekt. Das Outback mit dem Rad zu durchqueren ist für viele schon etwas Besonderes. Aber ich bin insbesondere auch der „Verrückte“, the „crazy guy on the bicycle“ Ein Motorradfahrer will mich verzweifelt von den Vorteilen seiner Fortbewegungsart überzeugen. Es sei doch das Selbe nur viel einfacher und mit viel mehr „Fun“, dabei dreht er mit seinen Händen virtuell am Gasgriff. Was soll ich ihm nur sagen? Der Motor untern Popo verändert halt doch alles. Nicht auf eigene Körperkraft angewiesen und die Möglichkeit sehr schnell unterwegs zu sein nimmt halt viel von dem Reiz den es für mich auf Radreisen ausmacht. Aber sagen tue ich ihm das nicht. Jedem lass seines!

Es ist ein monotones Reisen. Über hunderte Kilometer geht es einsame Highways entlang durch die Wüste. Die Sonnenauf und untergänge entschädigen für diese “Langeweile”, sie sind meistens spektakulär. Ich fahre hier danach teils bis tief in die Nachtweiter. Es ist von den Temperaturen einfach angenehmer und es ist herrlich durch das komplett stille Outback zu radeln, den Sternenhimmel über einem. Auch das geht mit einem Motorrad natürlich nicht, der knatternde Motor würde diese magische Ruhe zerstören!

Übernachten tue ich meistens irgendwo in der Wüste. An Platz mangelt es ja nicht! Ab und zu steuere ich aber auch bewusst einen dieser kostenlosen Campingplätze an. Hier stehen die RV Fahrer mit ihren teils bis zu 200.000 Dollar teuren Wohnmobilen. Es ist immer sehr nett mich mit ihnen am Lagerfeuer zu unterhalten. Eines Abends kommt spät noch ein Wohnmobil vorgefahren. Der lässige Fahrer steigt aus und sammelt im Dunkeln in Badelatschen erstmal Feuerholz. Eine gewagte Aktion im Outback! Die Strafe folgt sofort: Ein Scorpion beißt zu. Geistesgegenwärtig fängt der Gebissene immerhin den Übertäter. Trotzdem, die Coolness schlägt in nackte Angst um. Hier, ohne Mobilfunknetz und zig hunderte Kilometer entfernt vom nächsten Krankenhaus will man nicht von einem Scorpion gebissen werden. Einer der Camper hat zum Glück ein Bestimmungsbuch dabei. Ein kurzer Abgleich und die Bestätigung: Dieses kleine Exemplar ist nicht giftig! Glück gehabt und es kehrt nächtliche Ruhe ein.

Einige hundert Kilometer weiter südlich soll mein Outback Erlebnis dann aber erst richtig los gehen. Ich verlasse den Asphalt und es geht auf die langen und einsamen Sand-Pisten. Klangvolle Strecken wie Oodnadatta oder Painted Desert 4×4 Road stehen auf dem Programm Es gibt allerdings ein Problem. Es hat hier in der letzten Zeit viel geregnet. Diese Pisten werden dann teils unbefahrbar und wurden nun für den Verkehr komplett gesperrt. Ich muss ein paar Tage warten. Mit Argusaugen beobachte ich die Wettervorhersage. Ich weiß, insbesondere von der Erfahrung eines anderen Radlers, dass Regen auf dieser Piste dazu führt, dass mit dem Fahrrad kein Fortkommen mehr möglich ist. Die Vorhersage ist nicht perfekt, aber OK.

Ich entschließe mich den Aufbruch zu wagen. Der erste Teil ist 500kmlang, Essen aufstocken ist nicht möglich und Wasser gibt es erstwieder nach 220km. Da ich aufgrund der Straßenlage nicht 100% mit einem schnellen Vorankommen rechen darf, lade ich das Fahrrad, insbesondere mit dem überlebenswichtigen Wasser, randvoll. Dafür besorge ich mir einen Wasserkanister. Der “Bock” ist aberwitzig schwer.

Auf Radreisen gibt es immer wieder Situationen die mir die Wichtigkeit von Wasser vor Augen führen. Bei uns zuhause, wo man einfach den Wasserhahn aufdreht und zu jeder Tages und Nachtzeit genug sauberes Wasser zu Verfügung hat, kann man diese schnell vergesssen. Daher ist der Spendenaufruf für die Wasserfilter in Laos auch kein Zufall und soll hier nochmal erwähnt werden.

Hier im Outback, jenseits der Asphaltstraßen, ist für mich “nur” die schiere Quantität ein Problem. Da ich nur begrenzt Wasser transpotieren kann wird jeder Tropen wertvoll und nur zum Trinken verwendet. Abspülen oder Waschen? Fehlanzeige. In vielen anderen Ländern ist jedoch (auch) die Qualität ein Problem. Wenn man vom Trinken der “Quelle des Lebens” krank wird ist das schon ein untragbarer Zustand. Wir haben dafür immer einen Wasserfilter dabei. Für die lokale Bevölkerung sieht das aber leider oft anders aus.

Der Regen der letzten Zeit in diesem Gebiet hat einen wirklich äußerst nervigen Nebeneffekt. Die Mosquito Population ist explodiert. So viele Mücken habe ich noch nie ansatzweise erlebt. Millionen, nein Billionen sind es. Die Geräuschkulisse der Mücken, die sich vor der Zeltwand tummeln ist gewaltig. Das nächtliche Wasserlassen muss in den Kochtopf erfolgen. Das Zelt aufzumachen und kurz herauszuschlüpfen wäre fatal. 50 oder mehr Mücken im Zelt wären die unmittelbare Konsequenz. Diese Biester vermiesen mir die Tage schon etwas, das muss ich zugeben. Den Sonnenuntergang oder den Sternenhimmel genießen ist nicht mehr möglich, zumal die Stiche dieser Exemplare bei mir relativ stark jucken

Meine erste Outback Runde endet in Coober Pedy, einer Minenstadt im Nichts. Ich wohne bei Chris, einem großen KISS Fan, der mehrere Exponate der Band sein Eigen nennt. Sein “Haus” ist in den Berg gesprengt worden. Sehr abgefahren! Von Coober Pedy geht es Richtung Anna CreekStation, der größten Rinderfarm der Welt. 

Die kommenden Tage werden traumhaft da die Mückenplage hier auf einmal ein Ende hat. Ich fahre wieder viel nachts durch das vollmondbeschienene Outback und genieße diese totale Stille, die man wohl nur an Orten wie diesen erleben kann. Ich fahre über 400km in nur 3 Tage, trotz der schlechten Pisten.

Am Nachmittag des Folgetages treffe ich einen 4X4 Autotouristen. Er hat schlechte Nachrichten für mich. Ein heftiges Gewitter wird für heute Nacht vorhergesagt. Passenderweise finde ich ausgerechnet heute Nacht eine verlassene Hütte der ehemaligen Gleisarbeiter der alten, nun eingestellen, Ghan Bahnlinie. Ich höre mir das Spektakel vom trockenen und sicheren Unterschlupf an und mir ist klar, dass ab morgen alles anders sein wird.

Der nächste Morgen stellt meine schlimmsten Befüchtnisse in den Schatten. Die Bremsen werden natürlich ausgehängt, später sogar die Schutzbleche demontiert und der Packsack abgenommen. Aber ich komme auch schiebend unter größter Kraftanstrengung kaum einen Meter weiter.

Irgendwann wird auch mir klar:  Es ist eine sinnlose, unfruchbare Kraftverschwendung. Der feuchte Matsch ist wie Sekundenkleber der sich überall wie Lehm anhaftet. Ich hänge fest. Zum Glück bin ich die Tage zuvor, vielleicht aus weiser Voraussicht, immer nachts gefahren. Daher sind es nur noch 30km bis zum Ende der Straße, bis zum rettenden Asphalt und bis zum Dorf Maree. Aber mit Rad und Ausrüstung ist das unter diesen Bedingungen mehrere Tage von hier entfernt.

 Ich fasse den Entschluß das Rad und den Großteil der Ausrüstung hier zu lassen und zu Fuß weiter zu gehen. In Maree wird mich sicherlich ein Geländewagen irgendwann zu meinem Radzurückbringen können. In diesem Moment ereilt mich das Glück, was ich so oft schon in diesen Situationen hatte. Ein Pick-Up kommt mit irrem Tempo in meine Richtung. Ich stoppe ihn. Der Fahrer ist nicht begeistert. Das “Wiederanfahren” wird schwer, erklärt mir Jack später. Aber er erkennt natürlich meine Situation und wir ladenmein Rad auf die Ladefläche. Die Straßen sind mittlerweile gesperrt. Er sei wahrscheinlich der Letzte der noch kommt. Ich habe also Glück, sagt er augenzwinkernd. Mit dem Auto kommen wir aber doch noch gut voran. Ein krasser Unterschied. Mit der eigenen Muskelkraft hat man keine Chance, mit über 200 Allrad Diesel Pferdestärken geht es verhältnismäßig gut.

In Leigh Creek verdaue ich das Erlebte erstmal in einem Pub mit einigen Bieren. Es wird sehr spät und ich baue mein Zelt daraufhin einfach in einer noch leerstehenden Garage auf.

Zum Glück kommt kein Auto mehr das hier parken möchte. Über die Flinders Range geht in den kommenden Tagen weiter in den Süden Richtung Adelaide. Hier sehe ich endlich Kängeruhs und Emus, ganze Horden sogar. Weiter in Richtung Süden wird es zum ersten Mal dichter bewohnt. Es beginnt die Zeit nun auch mal die Leute des Landes besser kennenzulernen.

Autofreak Paul empfängt mich mit einem Gläsle Wein an der Haustür. Er zeigt mir seine diversen Rennautos und nimmt mich mit auf eine Spritztour. Als ich ihm zufällig den Namen von meinem nächsten Gastgeber nenne wird er hellhörig. “Ich bin früher viele Rennen gegen jemanden gefahren der so heisst. Wir haben uns aber leider total aus den Augenverloren” Kurzentschlossen rufen wir an und tatsächlich, der Zufall wird wahr. Andy ist der ehemalige South Australian Champion im Dirt Rally den Paul sucht. So bin in Teil davon wie 2 Freunde wiederzusammen finden. Paul fährt ihn am nächsten Tag besuchen und kann so praktischweise gleich einige meine Packtaschen mitnehmen. Es folgen noch einige wirklich nette “Aussie” Bekanntschaften. Den Abschluß macht Ray in Adelaide. Ein Pfundskerl mit dem ich einiges an Alkohol vernichte. 

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