Armenien

Von herbstlichen Hügeln, berührender Herzlichkeit und kleinen Ausrastern

Der Georgische Ort Sadakhlo liegt an der Grenze zu Armenien. Chris, Godelein(ein französischer Radler) und Ich sind auf der Suche nach einem geeigneten Ort zum Zelten. Jedoch erweist es sich schwieriger als gedacht, denn die Grenze nach Aserbaidschan liegt nur wenige Kilometer jenseits des Flusses. Tatsächlich befinden wir uns also inmitten eines Dreiländerecks in einer Grenzzone und jeder rät uns davon ab auf offener Flur zu campen.Der Obsthändler Farid ist sichtlich erfreut uns zu sehen, winkt uns eifrig zu sich, beschenkt uns mit exotischen Früchten und lädt uns ein hinter seinem Marktstand, wo auch er in seinem Auto schlafen wird, unsere Zelte aufzubauen. „No Problem, no Problem“ sind die englischen Worte die er beherrscht und an denen er an diesem Abend genauso wenig spart wie an den Früchten die er uns bei jeder Gelegenheit zusteckt. Farid ist einer von vielen Aserbaidschanern die im Süden Georgiens angesiedelt sind. Der Ort Sadakhlo wird zu 97% von Aserbaidschanern bewohnt und das große Teehaus hier scheint der Mittelpunkt aller Machenschaften und Beziehungen im Ort zu sein. Die andere Kultur, eine muslimisch geprägte, ist deutlich spürbar. Außer mir sitzen nur Männer an den Tischen des Teehauses. Adrett gekleidet mit Sakko und Hut sitzen sie da, spielen Backgammon oder Domino, trinken Tee und bereden was es zu bereden gibt. Mir kommt es vor wie ein kurzer Besuch in Aserbaidschan…Die ersten armenischen Kilometer führen uns durch den DebetCanyon. Schroffe Felsen markieren die Landschaft. Die Bäume entlang des Flusses sind herbstlich verfärbt und die zahlreichen wilden Rosenbüsche hängen voll mit knallig roten Hagebutten. Die Ortschaften sind sowjetisch geprägt, heruntergekommen und voller Bau- und Betriebsruinen. Es ist definitiv eine spannende Atmosphäre, eine Reise durch eine ganz spezielle Welt. Die ersten armenischen Kilometer führen uns durch den DebetCanyon. Schroffe Felsen markieren die Landschaft. Die Bäume entlang des Flusses sind herbstlich verfärbt und die zahlreichen wilden Rosenbüsche hängen voll mit knallig roten Hagebutten. Die Ortschaften sind sowjetisch geprägt, heruntergekommen und voller Bau- und Betriebsruinen. Es ist definitiv eine spannende Atmosphäre, eine Reise durch eine ganz spezielle Welt. Der Abschied von Godelein steht an. Uns zieht es wieder in die Berge und Ihn in die Hauptstadt. Wir wollen zusammen essen gehen und suchen das einzig bestehende Restaurant im Ort auf. Es befindet sich in einem ehemals prunkvollen Gebäude aus dessen brüchigen Gemäuer Gräser wachsen. Der große Saal mit langen roten Samtvorhängen, grünem Teppich und langen Tafeln hat schon ewig keine Gäste mehr gesehen, so scheint es. Es dauert eine Weile bis wir mit der Köchin die wenigen, möglichen vegetarischen Gerichte abgeklopft und den Preis verhandelt haben. 

Es ist bereits dunkel als wir das Restaurant verlassen. Wiedermal auf der Suche nach einem geeigneten Platz zum zelten, gabelt uns der Hausmeister eines armenischen Klosters auf. Was für ein schöner Platz! Direkt neben dem Kräutergarten mit Blick auf die alte Kirche stellen wir unser Zelt auf.
Wir ahnen dabei noch nicht wie steil und steinig sich die nächsten Bergetappen gestalten werden. Schon die ersten Kilometer hinauf erweisen sich als nicht fahrbar und als ich gerade das Fahrrad versuche über einen buckligen Felsen zu schieben verliere ich die Kontrolle über Dieses. Es rutscht mir weg und liegt am Boden. Da reicht’s mir. Ich raste aus, brülle mein Fahrrad an was es für ein ScheißArschloch sei, zeige ihm beide Stinkefinger und meine es in diesem Moment so richtig ernst. Scheißficker, du blödes unnötiges Gepäck du Blödes!!
Da kommt plötzlich ein Hirte mit seinem bepackten Esel um die Ecke. Er muss alles gehört haben, denke ich beschämt. Lächelnd richtet er mit mir das Fahrrad auf und hilft auf den nächsten Metern beim schieben. WOW, was war das denn?! Mir tut es leid dass der Hirte mich so fluchen gehört hat aber ich bin auch sehr sehr berührt von seiner Reaktion. Seinem entspannten, schmunzelnden Lächeln und seiner wortlosen, hilfsbereiten Geste. Später lachen Chris und ich darüber. Und wie sich in den nächste Tagen und Etappen zeigen sollte, hat sich der ganze Aufwand, das fast zweitägige „Bikepushing“ wiedermal gelohnt. Der Blick in die Ferne über die lieblich, herbstlichen Hügel Armeniens, haben einfach berauschende Wirkung auf uns.

Wir kommen langsam voran. Das liegt nicht nur an den steilen, steinigen Wegen und den vielen Fotos die wir schießen, sondern auch daran dass wir hartnäckig und herzlich von nahezu jedem Almbauern zum armenischen Kaffee in deren improvisierte Hütte geladen werden. Was mit einem Kaffee startet endet dann meist mit einem „Kusheit,Kusheit“ was auf russisch so viel heißt wie „Esst, esst“ von den leckeren Dingen die uns serviert werden. Darunter eigens produzierter Käse, Fladenbrot, Tomaten, Apfelschnitze, Trauben und schließlich auch der Aprikosenschnaps. Mittlerweile bin ich auch schon richtig gut im russisch klönen. Ach wie mir das Spaß macht!!

Gansakar und Annait meinen es besonders gut mit uns. Im Zelt sei es viel zu kalt und wir sollen unbedingt bei ihnen im Schäferwagen schlafen. So kommt es dass ich nach einem leckeren Abendessen, einer Ukuleleseccion und gefühlt einer ganzen Flasche Schnaps mit der Frau im hinteren Teil des Wagens schlafe und Chris mit dem freundlichen Bauern im Vorderen. In der Nacht höre ich dann und wann die Schweine draußen quicken während es bei uns im Wagen muckelig warm ist.
Als Annait am Morgen die Kühe melkt, zapft sie jedem von uns noch eine Portion Milch direkt in die Tasse bevor wir uns wieder auf auf den Weg machen.

Zum Zeitpunkt der Einreise, wusste ich eigentlich gar nichts über Armenien. Ich sollte erfahren dass das Land, eines der ältesten christlichen Nationen der Welt, ein Gebeuteltes ist. Da gab es den Völkermord Anfang des 20. Jahrhunderts, als während des osmanischen Reichs unzählige Armenier deportiert und ermordet wurden. Im Jahre 1988 zerstörte ein schlimmes Erdbeben weite Landesteile wobei 25.000 Menschen ihr Leben verloren.
Das Wahrzeichen des Landes, der über 5000m hohe Berg Ararat steht auf Türkischem Staatsgebiet und die Beziehung zwischen den Ländern ist leider so schlecht, dass die Grenzen geschlossen sind und den Menschen nichts anderes Übrig bleibt als ihr Heiligtum aus der Ferne zu betrachten.
Auch im Osten des Landes schwelt seit Jahrzehnten ein Konflikt, bei dem es immer wieder auch zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommt. Es geht um Berg-Karabach, eine Region die von Armenienern bewohnt, jedoch offiziell zu Aserbaidschan gehört.
Dazu kommt Armut, grenzenlose Korruption und eine Chancenlosigkeit die junger Armenier in Scharen das Land verlassen lässt.

Ich erfuhr aber auch das Armenien ein Land ist, dessen hügelige Steppenlandschaft von einer melancholisch, ja geradezu faszinierenden Weite ist, dass die Berge, Wälder und ehemaligen Vulkanlandschaften genau so schroff wie lieblich erscheinen und es eine Freude ist diese noch sehr untouristischen und wunderschönen Regionen so authentisch zu erleben. Vor allen Dingen aber erlebe ich feine Menschen mit großen Herzen und eine Gastfreundschaft die bei all der Armut und Einfachheit schlicht überwältigt.
Es bräuchte viele Worte, zu Viele, um von all den rührenden Begegnungen zu erzählen die das Land so besonders machen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert