Wir waren in San Nicolás de los Ranchos angekommen, einem kleinen Ort im Bundesstaat Puebla. Das Sekretariat der Kirche erlaubte uns im Innenhof, gleich neben dem Plaza unser Zelt aufzubauen. So verbrachten wir den Abend mitten im Ort und genossen die Atmosphäre an diesem belebten Platz. Von dort aus war, angestrahlt von der Abendsonne und mit einer Höhe von 5426m, der Vulkan Popocatépetl zu sehen. Als einer der aktivsten Vulkane Mexikos, qualmte er auch an diesem Abend fleißig vor sich hin. Wir waren fasziniert und freuten uns auf die kommenden Tage, die wir damit verbrachten, die Passstraße zwischen dem ‘Popocatépetl’ und dem ebenfalls schier unaussprechbaren Nachbar-Vulkan ‚Iztaccíhuatl‘, zu befahren. Die Route, die uns auf knapp 4000m Höhe führte, war sandig und steil, aber sie schlängelte sich durch herrliche Pinienwälder und immer wieder konnten wir dem ‘Popo’ beim Qualmen zusehen.

Auf den folgenden Kilometern veränderte sich die Landschaft. Es wurde grüner, tropischer und noch heißer. Wir fuhren vorbei an zahlreichen Avocado- und Mangoplantagen, verirrten uns in den Bergen und landeten auf einem Geröllpfad, der die einzigen Verbindung in den nächsten Ort darstellte. Ein Fehler auf unseren digitalen Landkarten, der dafür sorgte, dass wir, mit Tomte auf den Rücken geschnallt, fünf Stunden damit verbrachten, die beiden Fahrräder und den Anhänger den Pfad rauf und runter zu wuchten, um den 3 km entfernten Ort zu erreichen.

Auf unserem Weg Richtung Süden wurde es immer heißer. Auch die Strecken waren nicht immer schön zu fahren. Heike, die gerade mal wieder mit uns reiste, fragte mich, als wir uns gerade den Berg hinauf quälten, wieso ich mir das antue. Die Antwort darauf gaben mir in Mexiko die Abende, die wir meist mitten in den Orten, in privaten Innenhöfen, mitten auf dem Plaza, bei Kirchen oder auf Sportplätzen verbrachten. Wir liebten das gesellige Miteinander dort. Tomte bewegte sich ganz selbstverständlich zwischen all den Kindern. Zwar sprach er noch kein Wort, das brauchte er aber auch nicht. Der Ball war sein Kommunikationsmittel. Er warf ihn einfach auf die Leute zu und schwupps war der Kontakt da, die Beziehung geknüpft. Wir waren nun schon vier Monate in Mexiko. Eine prägende Zeit für Tomte, der gerade dabei war, aus seinem Baby-sein heraus zu wachsen und ein Interesse für sein Umfeld zu entwickeln. Mexiko war hierfür der perfekte Ort. Hier war er eines von vielen Kindern. Mexikos Menschen gaben ihm einen Platz in der Welt, schenkten ihm auf angenehm unkomplizierte Weise Aufmerksamkeit und gaben ihm immer das Gefühl, willkommen zu sein.

Am Karmontag erreichten wir schließlich Taxco, ein Ort in den Bergen des Bundesstaates Guerrero. Dort finden in der Oster-Woche (Semana Santa) zahlreiche, eindrückliche Prozessionen statt. Zu Beginn der Woche erlebten wir die Prozession der Jungfrauen, angeführt von Statuen der Jungfrau Maria. Verschiedene Kirchengemeinden der Region fanden sich im Zentrum von Taxco zusammen und prozessierten viele Kilometer, über Stunden hinweg durch die Straßen. Büßer gingen in schwarzen Gewändern barfuß und gebückt. Ihre Knöchel waren an schweren Ketten befestigt, die sie hinter sich herzogen, während Musiker auf Geigen und Trommeln eine als ‘Chirimía’ bekannte Melodie spielten. Andere begleiteten diesen Umzug mit brennenden Kerzen.

In den kommenden Tagen bis zum Karfreitag sollte das Büßertum immer extremere Formen annehmen.
Wir sehen Männer mit Kapuzen die sich über Stunden blutig peitschen und Andere, die mit einem etwa 50 kg schweren Bündel aus dornigen Himbeer-Zweigen auf den Schultern durch die Straßen ziehen.

Neben all den beeindruckenden Prozessionen tuckerten auch zahlreiche VW Käfer durch die Gassen. Viele von ihnen dienen hier in Taxco auch als Taxi und so ließen wir uns die Gelegenheit einer Spritzfahrt nicht entgehen. Eng auf der Rückbank zusammengepfercht, drückte der Taxifahrer den Fuß aufs Gaspedal. Die steilen, schmalen Gassen hinauf nahm er diesen auch nicht mehr herunter. Dafür drückte er immer wieder auf die Hupe, sodass alle Menschen zur Seite sprangen und sich an die Hauswände quetschten, während wir souverän und in atemberaubender Geschwindigkeit an ihnen vorbei zogen . Ein tolles Auto, dieser Käfer. Schade, dass die letzte existierende,in Mexiko ansässige Fabrik im Jahre 2003 ihre Produktion einstellte.

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