Indien Teil 2
Aloha Heja He im Himalya
In Leh müssen wir zunächst die nächste Zwangspause einlegen. Jörg hat es erwischt: Magen Darm Grippe!
Ich nutze die Zeit und planen einen kleinen Seitenabstecher. Kardung La, der laut offiziellen Angaben höchste befahrbare Pass der Welt. 5602 Meter soll er hoch sein! Um das jetzt schon zu schaffen akklimatisiere ich mich ein paar Tage im nur 3500m hoch gelegenen Leh. Eine weitere Nacht verbringe ich au f4200m im Zelt. Das muss reichen.
Es ist immer wieder faszinierend mitzuerleben was die Höhenluft mit dem Körper veranstalten kann wenn man nebenbei auch noch sportliche Leistungen vollbringt. Mein noch nicht vorhandener Trainingszustand, die teils extrem schlechte Piste, der viele Verkehr der „Höchste Pass der WeltTaxi-Touristen“ und der zwischenzeitliche Hagel machen es nicht unbedingt einfacher.
Aber auf 5000 Höhenmeter, so kurz vorm Ziel, aufgeben will ich dann auch nicht – blöder Ehrgeiz. „Du musst körperlich extrem durchtrainiert sein“ höre ich immer wieder in Deutschland. Das stimmt wirklich nicht, schon gar nicht am Anfang einer Tour. Es ist mehr die mentale Willensstärke die wichtig ist.
Dieser Pass ist eine schönes Beispiel. 8 Kilometer vor der Passhöhe ist mein Körper längst an seiner gefühlten Belastungsgrenze, aber der Kopf radelt einfach weiter.
Auf der Passhöhe erwarten mich hässliche Gebäude und Militär LKW’s mitlaufenden Motoren. Und eine Lüge: Die 5602 m, die stolz auf dem Passschild stehen, kann mein Höhenmesser nicht bestätigen. Die wahre Höhe liegt wohl eher bei 5360m – der höchste Pass der Welt ist der Kardung La also nicht!
Das Gute: In einem der Gebäude wird heißer Tee verkauft. Nun merke ich erst wie sehr mein Körper auf dem Zahnfleisch geht. Ich zittere am ganzen Körper, fühle mich wie bei einer Grippe. Nach 1 Stunde Halbschlaf geht es mir aber deutlich besser und die Abfahrt zurück nach Leh kann beginnen
Jörg ist derweil wieder fit. Es kann losgehen, die ersten gemeinsamen Radeltage. Viele werden es nicht. Am 3. Tag eröffnet er mir nach dem Frühstück, dass er heute nicht mehr mitkommen wird. Für ihn geht es zurück nach Leh. Wenige Tage später sitzt er im Flieger zurück in die Heimat! Schade! Wie ich später von ihm erfahre hat er eine Radreise in den USA unternommen. Ich werde ihn aber sicherlich irgendwann mal wieder auf ein Bierchen in Deutschland treffen.
Alleine geht es für mich zunächst entlang des wunderschönen Indus Flußes. Es ist alles sehr karg, die Landschaft erinnert an Pakistan.
Wenig später geht es dann jedoch in die hohen Berge. Die Region rund um den Tso Moriri See gefällt mir besonders. Es hat kaum Verkehr und die Landschaft ist grandios, die schneebedeckten Berge im Hintergrund.
Das ich sehr früh im Jahr hier bin merke ich jedoch immer wieder. Der Winter war in diesem Jahrextrem schneereich und in den großen Höhen auch immer noch präsent. Die Straßen sind oft noch in einem erbärmlichen Zustand und kaum einen der vielen 5000m Pässe erreiche ich ohne Schneeschauer. Die Schneewände am Rand der Straße sind an einigen Stelle einige Meterhoch!
Am Barlacha-La Pass, der entlang des bekannten Manali-Leh Highways passiert wird, ist das Wetter auch oben zum ersten Mal wolkenfrei. Ein Traumausblick! Ich kann nicht anders, ich baue mein Zelt auf!
Anfang Juni mit dem Rad auf einem knapp 5000m hohen Pass zu übernachten, der dafür bekannt ist schlagartig zu zuschneien ist aber natürlich dumm. Da Dummheit oft bestraft wird fängt es nachts um 2 Uhr an zu schneien. Zunächst leicht und ich schlafe weiter.
Gegen 5 Uhr wütet dann aber ein ausgewachsener Schneesturm. Ich quäle mich hinaus in die Kälte und packe meine sieben Sachenzusammen. Hier oben festzusitzen wäre fatal. Einige Kilometer pedaliere ich durch den Schnee, weiter unter geht dieser dann in Regen über.
Ausländische Touristen sind zu dieser frühen Zeit im Jahr kaum unterwegs. Aber viele Inder. Immer wieder werde ich angehalten und angesprochen. Alle wollen das heute so allgegenwärtige „Selfie“ machen. Ich bekomme unzählige Einladungen, verteilt durch das ganze riesige Land.
Ab und zu fragen mich die Leute ob sie einmal ein Runde mit dem Raddrehen dürfen. Meist versuche ich das abzublocken. Viele unterschätzen es so ein schweres Rad ohne jegliche Erfahrung überschweres Geläuf zu bewegen. „Ich bin aber ein sehr gute rFahrradfahrer“ versichert mir ein ganz forscher. Nagut dann probiermal eine Runde, denke ich mir. Meine Erfahrung mit anderen Testwilligen in der Vergangenheit hätte mir etwas anderes lehren sollen. Er kommt nur wenige Meter, dann stürzt er. Fahrer und Rad sind wohlauf – Glück gehabt.
Der Manali-Leh Highway ist streckenweise sogar in perfektem geterrten Zustand. Dann kann ich es auch mal richtig fliegen lassen.
Entlang der Straße sehe ich unzählige Kolonnen von Straßenarbeitern. Mit Spitzhacken bewaffnet versuchen sie ohne technisches Gerät die Pisten instand zu setzen. Viele die sich hier abmühen kommen aus den bitterarmen Regionen in Ostindien.
Aber auch einige heimische Ladakhis sind dabei. Eine dieser Gruppen lädt mich zum Mittagsessen ein. Nach dem einfachen aber leckeren Essen fragen sie ob ich ein deutsches Lied auf meinem Smartphone habe. Natürlich! Viele sogar.
Ich überlege kurz und entscheide mich für eines meiner Lieblings Party Lieder. Wie setzen uns alle hintereinander auf die staubige Straße und schon geht’s mit Achim Reichel auf nach Sansibar! Mitten im Himalya mit indischen Straßenarbeitern nüchtern nach „AlohaHeja He“ zu rudern hat etwas Surreales! Aber alle haben Spaß! Ein neuer Hit auf dem Straßen Ladakhs?
Besonders ist auch die Einladung von einer Hirtenfamilie in ihr Zelt. Erstaunlich wie „einfach“ diese Menschen hier leben. Kein Strom, kein fließend Wasser, es brennt nur ein Feuer aus dem Dung ihrer Tiere. Bilder vom Zeltinneren darf ich leider keine machen. Sie geben mir Tee. Der Buttertee schmeckt mir, gemessen an unseren Geschmacksvorstellungen widerlich. Der Milchtee dagegen ist köstlich und wärmt mich wieder auf.
Eines Tages passiere ich mitten im Nichts einen Militärjeep mit hochgeklappter Motorhaube. Ich frage einen der Soldaten ob ich helfen kann. Bescheuerte Frage! Wenn es jemanden gibt der nicht helfen kann, dann bin ich es wohl. Einer der Soldaten schmunzelt ebenfalls aufgrund dieser Situation und meint das gleich jemand kommt um sie abzuholen. Er erklärt mir wo seine Basis ist und lädt mich recht herzlich zum Tee ein.
Als ich später am Tag dort vorbei komme entschließe ich mich diese Einladung anzunehmen. Ich werde schon erwartet. Durch lange Flure werde ich zum Zimmer des obersten Kommandanten geführt – der nette Herr aus dem Jeep. Ichbekomme Tee und Essen und ab und zu kommt ein salutierender Soldat ins Zimmer um Befehle entgegenzunehmen.
Wir plaudern ein wenig über die auch hier etwas angespannte Situation. Hier sind es die Chinesen die als potentielle Gefahr wahrgenommen werden. Bilder darf ich aus „Sicherheitsgründen“ leider keine machen, draußen tummeln sich aber die Soldaten um Selfies mit mir, dem ungewöhnlichen Gast, zumachen.
In Keylong muss ich eine Entscheidung treffen. Mein ursprünglicher Plan ist es von hier ins Spiti Valley, das auch Klein-Tibet genannt wird, zu fahren. Zwischen uns liegt jedoch der Kunzum La Pass. Die Strecke gilt ohnehin schon als eine der schlechtesten im Himalaja. Durch den außergewöhnlich langen Winter soll die Piste jedoch noch nahezu unpassierbar sein. Ich
treffe einen Mountainbiker der die Passage mit dem Jeep gefahren ist. Er sagt es klar und deutlich :“Lass es sein! Warte lieber noch ein paar Wochen, im Moment musst du dein Rad kilometerlang durch einen Bach hinaufschieben“
Wie aus dem Nichts bekomme ich dann von Anselm, meinem Mitradler aus Tibet, einen entscheidenden Tipp der mir die Entscheidung leicht macht. Er hat im Internet bei einem bekannten Social Media Netzwerk den Eintrag vom Inder Naveen gesehen. Naveen beschreibt dort eine Strecke von Keylong nach Jammu. Unverzüglich nehme ich mit Naveen Kontakt auf. Er antwortet prompt und seine Beschreibung entfacht das Feuer in mir. Die nahezu unbekannte Strecke klingt fantastisch und abenteuerlich. Ich liebe diese Tipps von Einheimischen.
Es heißt aber auch, dass ich in den Bundesstaat zurück muss aus dem ich vor wenigen Wochen noch geflohen bin: Jammu- Kaschmir! Trotzdem, am nächsten Tag sitze ich auf meinem Rad.Es wird eine unerwartet anstrengende und aufregende Zeit bis ich in Jammu bin.